So tickt die Börse: Stephan Heibel zu Spotify
DER ANTI-IPO VON SPOTIFY
Diese Woche Dienstag ist Spotify an die Börse gegangen... nein, das ist nicht die richtige Formulierung: Spotify hat seinen Eigentümern erlaubt, Aktien über die Börse zu verkaufen.
Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, dass das Finanzgeschäft einem Haifischbecken gleicht. Und wenn da mal ein neues Stück Fleisch ins Becken geworfen wird, dann geht's rund, dann startet eine Party. Mit Hilfe einer Roadshow und einem komplizierten Preisfindungsverfahren wird ermittelt, wie viele Aktien zu welchem Preis an die Börse gegeben werden und wie viel Millionen US-Dollar das Unternehmen in die Barkasse gespült bekommt. In der Regel werden für den Börsengang (IPO = Initial Public Offering) nicht nur Aktien von frühen Investoren (Insidern) an den Markt gegeben, sondern auch neue Aktien ausgegeben. Das Geld, das über die neuen Aktien eingenommen wird, landet direkt in der Barkasse. Der Börsengang ist gleichzeitig der ultimative Exit für Private Equity Firmen, die frühzeitig Risikokapital in die Firma gegeben haben. In welchem Verhältnis neue und alte Aktien an die Börse gegeben werden, hängt von den Interessen des Managements (Finanzierung der Expansionsträume durch frisches Kapital) und der Eigentümer (lukrativer Exit) ab.
Angebot und Nachfrage bestimmen den Aktienkurs. Häufig erfolgt ein Börsengang daher Scheibchenweise: Zunächst werden lediglich 10% oder 15% der ausstehenden Aktien an die Börse gegeben. Institutionelle Anleger, für die eine Positionsgröße unter 1 Mio. USD uninteressant ist, werden mit einer halben Millionen bedacht. Sodann werden in den Folgetagen immer gerade so viele Aktien an den Markt gegeben, wie zum gewünschten Preis möglich. Die Broker, die den Börsengang begleiten, versuchen also möglichst vielen institutionellen Anlegern gerade so viele Aktien zu geben, wie diese benötigen, um das Angebot nicht als Lappalie auszuschlagen, damit diese in der Folgezeit sodann eine deutlich größere Position aufbauen. Wenn dieser Prozess dann nach einigen Wochen abgeschlossen ist, zeigt sich, wie gut die Preissetzung im IPO-Verfahren gelungen ist. Nicht selten bricht die Aktie nach ca. drei Monaten erst einmal ein, um sich dann erst langsam auf ein vernünftiges Niveau zu bewegen. Das Ganze ist für die beteiligten Broker überaus lukrativ, auch der Börsenbetreiber freut sich und die Presse hat etwas, worüber sie berichten kann. Über den IPO von Spotify haben Sie vermutlich neben der Information, dass er erfolgt ist, nicht viel Informationen erhalten, oder?
CEO Daniel Ek aus Schweden ist gerade einmal 35 Jahre alt und ist durch den Börsengang zum Milliardär geworden. Doch er gab keine Interviews, er hat nicht die Eröffnungsglocke der NYSE geläutet, wie es für IPO-Unternehmen üblich ist und er hat keine überzogenen Wachstumsträume, die er mit dem IPO-Geld finanzieren möchte... er hat überhaupt kein IPO-Geld eingenommen! Spotify hat es einfach seinen Insidern ermöglicht, Aktien über die Börse zu verkaufen. Damit ist der Börsengang auch kein klassischer IPO, sondern ein "direct listing", eine direkte Aufnahme der Aktie auf den Kurszettel ohne die üblichen IPO-Verfahren. Ein Interview soll es dennoch gegeben haben, er wird zitiert mit folgender Antwort auf die Frage, warum er den IPO nicht zum Generieren von Bargeld nutze: "Private Investoren stehen Schlange bei uns, wir haben unlimitierten Zugang zu Geld."
5 Mrd. USD Jahresumsatz (+39%) führen bei Spotify zu Verlusten in Höhe von 1,24 Mrd. USD (+105%). Das Umsatzwachstum ist rückläufig, die Aussicht auf Gewinn sei in absehbarer Zeit fehl am Platz, so eine offizielle Unternehmensmeldung.
71 Millionen Musikfans haben Spotify kostenpflichtig abonniert, weitere 88 Mio. Musikfans hören monatlich das kostenfreie Musikangebot.